Eine schwere Montierung im Selbstbau für ca. 300.- Euro

von Ralf Thiele

Seit 15 Jahren beobachte und fotografiere ich mit einem selbstgebauten 8" /f6 Newton auf dieser Montierung, auch ein Selbstbau:
             

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mit diesem Instrument habe ich viele unvergessliche Beobachtungsstunden genießen können. Ebenso sind mir auch etliche schöne Astrofotos damit gelungen. Da ich, was die Astronomie angeht, ein leidenschaftlicher Sammler von allen möglichen und unmöglichen Schrotteilen bin, die man eventuell eines schönen Tages für den Teleskop- und Montierungsbau verwenden könnte, reifte in mir eines Tages der Plan, eine schwere Dt. Montierung zu bauen. Und diesmal möglichst alles in Eigenregie.

 

Es juckte mich einfach in allen Fingern, ich musste sehen, wie weit man als Amateur im Montierungsbau weitestgehend ohne fremde Hilfe und geringen Kosten kommt. In meinem Werkstattschuppen fanden sich lediglich eine Standbohrmaschine, ein großer Maschinenschraubstock, etliche Feilen und mehrere Gewindebohrsätze, mehr nicht.
Als ich mir nun Gedanken über das Konzept machte, kam mir noch ein anderes Projekt "in die Quere":

 

Der Schliff eines 12"-Newton-Spiegels. Denn was sollte ich mit einer schweren Montierung ohne passendes Teleskop dazu?
Der Achsdurchmesser stand noch nicht fest, nach einem Blick in den Schrottkübel eines nahegelegenen Getriebewerkes aber schon: 60 mm in beiden Achsen. Denn im Kübel befanden sich mehrere 350 mm lange Abschnitte blanken Wellenstahls! Den musste man noch nicht mal auf Maß abdrehen lassen, wie ich später bei den Kugellagern feststellen sollte.

 

Nächster wichtiger Punkt betraf die Lagerung. Wenn man möglichst wenig Dreh- und Fräsarbeiten vergeben möchte, muss man natürlich auch kompromissbereit sein. Schicke Kegelrollenlager in passenden Lagergehäusen wären empfehlenswert, aber mit den vorhandenen Einschränkungen nicht möglich. Die in meinen eigenen Augen einzig sinnvolle Alternative waren sogenannte "Stehlager". So sehen sie aus:
Sehr stabil und mit Rillenkugellagern ausgestattet. Natürlich sind sie nicht vergleichbar mit aufwändig konstruierten und optimierten Lagern für Teleskopmontierungen. Dennoch habe ich sie aus obigen Gründen gewählt und schließlich sollte es zunächst ja auch nur ein Versuch der Machbarkeit sein. Dass ich damit auch langbelichtete und punktförmig nachgeführte Astroaufnahmen bei 1.620 mm machen würde, wusste ich natürlich noch nicht, hoffte es aber.
Nach einem ernüchternden Blick in Preislisten diverser Lagerhersteller war der nächste Schritt der Verfügbarkeitsprüfung beim guten alten ebay nachzuschauen. Schließlich sollten die Anschaffungskosten jene einer nagelneuen Präzisionsmontierung nicht überschreiten.
Nach zwei Wochen konnte ich dann zum Gesamtpreis von ca. 80 Euro vier Lager mein Eigen nennen.

In meiner Grabbelkiste fanden sich Aluflansche aus dickwandigem Material, welche vor einigen Jahren den Weg aus einem Restekübel zu mir fanden. Zufällig wiesen die Flansche eine passende Öffnung zur Aufnahme eines Gewindes M 60 auf! Somit war die Frage nach der Verbindung der Achsen geklärt.
Auf einer Welle sitzt natürlich auch der Antrieb. Von vorherein war für mich klar, dass es sich dabei um ein konventionelles Schneckenrad handeln sollte. Eine Selbstherstellung hatte ich zwar schon gemacht:

Aber mir erschien es zu wenig stabil und genau. Also sollte eins preisgünstig gekauft werden. Bei der Fa. Kremp in Wetzlar wurde ich dann fündig. Das größte lagermäßig verfügbare Rad hat 150 mm Durchmesser und Modul 1,5 - also 100 Zähne. Etwas klein, dafür würde aber der mögliche Pendelfehler der Schnecke nur alle 14,4 Minuten auftreten.
Das Rad musste natürlich kraftschlüssig auf die Welle gebracht werden. Dieses Problem wurde konstruktiv mit einer Tangentialklemme gelöst:
Dafür musste ein Ring aus Stahl beschafft werden und ein Flansch aus Alu, der das Schneckenrad aufnimmt. Eine weitere Klemme aus Stahl wurde ebenfalls für die Konstruktion eines Tangentialarmes in Deklination benötigt. Die Wellen sollten ein Gewinde aufgeschnitten bekommen, die Rektaszensionsachse sollte axial aufgebohrt werden, um einen Polsucher aufnehmen zu können. Dafür kam leider nur eine Fremdvergabe der Arbeiten in Betracht. Einige Wochen später erhielt ich die Drehteile zurück.
Die Tangentialklemme musste noch in meiner äußerst bescheiden ausgestatteten Werkstatt mit einem Schnitt und einem Gewinde versehen werden, denn sonst klemmt die Klemme ja nicht…

Die Stehlager wurden schließlich auf einen Polblock montiert. Von Stahl sah ich des höheren Gewichts wegen ab. Immerhin sollte es sich um eine gerade noch transportable Montierung handeln.
Aluplatten konnte ich in den gewünschten Dimensionen ebenfalls in einem Kübel, diesmal in einer Forschungswerkstatt finden. Auch zwei gefräste Stahlbögenabschnitte fanden sich dort, dazu später mehr. Ja, wir sind eine Wegwerfgesellschaft. Manchmal kann dies aber auch positive Auswirkungen haben, z.B. für den Teleskopbau!
Nachdem das im Schraubstock eingespannte Plattenmaterial mit der Handsäge(!) geschnitten und vor allem abschließend mit Feilen auf die genauen Maße gebracht waren, konnte das Achsenkreuz das erste Mal zusammengesetzt werden. Was für ein schönes Gefühl, wenn alles zu passen und zu funktionieren scheint!

Es fehlten jetzt noch der Antrieb in RA, der Tangentialarm in Deklination und eine vernünftige Stativsäule.
Wie sollte ich den Lagerstuhl der Schnecke in RA konstruieren? Und vor allem wo an der Montierung? Sollte das Schneckenrad unten an der Rektaszensionsachse oder oben angebracht werden?
Aus Gründen der Verwindungssteifigkeit wurde die Position oben gewählt. Außerdem konnte so der etwas ausladendere Teil des Polblocks oben zur Aufnahme des Schneckenlagerstuhls genutzt werden.
In diesem Bild kann man den Quersupport aus massivem Alu sehen, auf dem später der Lagerstuhl montiert wird:

Wiederum fanden sich Lagerhülsen für 12-mm-Kugellager in der Schrottkoste. Was heißt Schrottkiste, besser wäre Fundgrube oder Schatzkammer! Die 12-mm-Welle für die Schnecke entnahm ich einem alten Flachbettscanner. Dort war eine Führungsschiene eingebaut. Das war die künftige Schneckenwelle! Zusammengesetzt sieht der Antrieb so aus:

Bild oben und rechts ist das Getriebe zu erkennen. Dieses besteht im Wesentlichen aus dem ausgebauten Getriebe eines RB-35 Motors.

Das Achsenkreuz selber sollte justierbar gelagert werden. Gerade für langbelichtete Deep-Sky-Aufnahmen muss die Montierung möglichst genau auf den Pol ausgerichtet werden.
Ich erinnerte mich an diese Montierungsvariante (Bild links).

Hersteller: Mathis-Instruments

Dieses Design gefiel mir und die Stahlteile kamen jetzt wie gerufen! Also wurden sie seitlich am unteren Polblock befestigt:

Um nun dem so einstellbaren Polblock auch eine feinfühlige Verstellbarkeit in der Höhe zu geben, wurde innen im Polblock ein Tangentialarm eingesetzt, der über eine Spindel mit einem Drehknopf von außen zu bedienen ist. Damit lässt sich der Montierungskopf sehr feinfühlig justieren. Allerdings lediglich in einem Bereich von etwa 55° bis 33° geografischer Breite, was für meine Zwecke jedoch völlig genügt.

Nachdem ein erster Test eine butterweiche Nachführung ohne jedes Ruckeln ergab, konnte die Nachführung in Deklination angegangen werden. Meine anfängliche Überlegung, ein selbsthergestelltes Gewinde- oder Schneckenrad (s.o.) zu verwenden, wurde verworfen und ein Tangentialarm angedacht.
Der Antrieb bereitete mir allerdings einiges Kopfzerbrechen. Der antreibende Motor sollte sich nämlich nicht mit der Stellschraube axial bewegen können sondern fest positioniert bleiben. Die Lösung fand sich in einer alten Messschraube und einem Schneckenrad. Am Ende der Messschraube die in dem runden Alugehäuse (siehe Bilder) kugelgelagert montiert wurde, ist eine Hutmutter aufgebracht, die in eine gegenüberliegende Bohrung des Tangentialarms durch Federkraft gedrückt wird. Federn bilden den Kraftschluss zwischen Fernrohrwiege und Arm in dieser Konstruktion. Durch den Druck kann sich die Welle der Messschraube nicht mehr bewegen. Vielmehr bewegt das Schneckenrad das Gehäuse der Schraube und dreht auf diese Weise die Messschraube hinein oder heraus, so dass der Tangentialarm entsprechend bewegt wird!


Nachdem auch diese Hürde genommen war, war noch das letzte Problem zu lösen: Die Säule. Insbesondere die Tatsache, dass man mit den Fußschrauben sehr schnell die Höhe zum Himmelspol einstellen kann ohne die Justierung am Polblock bemühen zu müssen, ließ mich auch diesmal zum Bau einer Säule greifen.
Ein Stahlrohr aus Nirosta mit Flansch besaß ich schon (aus dem Schrott natürlich), ebenso fand sich noch eine alte Seilrolle aus massivem Alu mit einem Durchmesser von einem halben Meter! Beide wurden zusammengefügt, oben auf das Stahlrohr wurde noch eine 12er Aluplatte zur Aufnahme der Montierung geschraubt. Die Montierung besitzt unten eine Bohrung, in die von der oberen Säulenplatte eine Druckkugel greift. Dadurch lässt sich die Montierung auch in Azimut schwenken.

Schließlich war es soweit, der zwischenzeitlich hergestellte 12"-Newton (Selbstschliff) in Gitterohrbauweise konnte auf die Montierung gesetzt werden! Übrigens wurde der Hauptspiegel auch selbst versilbert. Aber dies und die Konstruktion des Tubus (im Schraubstock mit einer Matrize gebogene Aluhohlprofile) ist eine andere Geschichte…
Das First Light war für mich atemberaubend. Ich werde nie die gleißend helle Vega in ihrem bläulichen Licht vergessen. Auch heute jedes Mal wieder faszinierend. Erste Aufnahmen mit der Ausrüstung zeigten keine Nachführfehler, die Mechanik schien meinen Ansprüchen zu genügen. Und die sind: Nachführung über mindestens eine Stunde bei einer Brennweite von 1.620 mm kontrolliert und wiederholbar möglich.

Das fertige Fernrohr

Aufnahmen mit 12" /f5,3 Newton auf obiger Montierung:

Nebel um gamma cygni

h & chi perseii

NGC 6960, "Sturmvogel"

M27, der Hantelnebel

 

 

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